Kindsentzug machte SH- Mutter zur Messerstecherin
16.03.2008 von ......
Therapeutin angegriffen
ANGEKLAGTE FREIGESPROCHEN ... aus SN v. 24.Okt. 2003
Das Kantonsgericht hat eine Frau, die ihre Therapeutin mit einem Messer verletzte, freigesprochen. Sie kommt in eine Klinik.
Die Angeklagte, eine 34-jährige Mutter aus dem Kanton Schaffhausen, wirkte gestern im Prozess vor der ersten Strafkammer des Kantonsgerichts (vertreten durch Annette Dolge, Peter Sieber und Vreni Homberger) sehr bedrückt. Und sie betonte mehrmals, ihr tue sehr Leid, was sie getan habe. Was war passiert?
Die Vormundschaftsbehörde ihres Wohnortes hatte der Frau im letzten Jahr ihre beiden Kinder weggenommen und an andern Orten platziert. Dies aufgrund von Informationen ihrer Therapeutin. Die Mutter, persönlich verletzt von dieser Anordnung, wollte sie nicht akzeptieren. Und sie beschloss, ihre Therapeutin, die sie für die Fremdplatzierung ihrer Kinder allein verantwortlich machte, mit einem Messer zu erschrecken beziehungsweise deren Möbel in der Praxis zu zerstören, wenn diese nicht bereit sei, ihre Anzeige bei der Vormundschaftsbehörde zurückzuziehen.
Tiefe Verletzungen
Sie stürmte am 15. August 2002 in die Praxis ihrer Therapeutin, wobei sie in ihrer Badetasche ein Küchenmesser mit einer 18,5 Zentimeter langen Klinge dabei hatte. Und nach einem Gespräch, das nicht nach dem Wunsch der Angeklagten verlief, zog die «wütende, aber ruhige Angeklagte» das Küchenmesser aus der Badetasche und stach «wahl- und hemmungslos», so die Anklageschrift, auf ihre Therapeutin ein. Das Opfer erlitt mehrere tiefe Verletzungen im Bereich des Herzes. In der Befragung durch Gerichtspräsidentin Annette Dolge versicherte die Angeklagte, sie habe ihre Therapeutin nicht umbringen wollen, habe aber in ihrer Wut und Verzweiflung die Nerven verloren.
Staatsanwalt Robert Akeret klagte die Frau wegen versuchter vorsätzlicher Tötung ein. Auch wenn die Frau nicht die Absicht gehabt habe, ihre Therapeutin zu töten, sondern ihr nur einen Denkzettel habe verpassen wollen, habe sie doch mit einem tödlichen Ausgang des Konfliktes rechnen müssen. Gleichwohl beantragte der Anklagevertreter, die Frau sei freizusprechen, da sie strafrechtlich nicht schuldig sei. Denn ein ärztliches Gutachten und ein zusätzlich eingeholtes Ergänzungsgutachten hätten der Frau eine schwere Persönlichkeitsstörung beziehungsweise eine paranoide Schizophrenie attestiert. Die Frau sei somit zur Tatzeit nicht fähig gewesen, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder gemäss ihrer Einsicht zu handeln. Sie sei zurechnungsunfähig und damit schuldunfähig gewesen.
Nicht gemeingefährlich
Gestützt auf diese Gutachten beantragte Akeret, es sei eine stationäre Massnahme anzuordnen, und die Angeklagte sei gemäss Art. 43 des Strafgesetzbuches in eine Heil- und Pflegeanstalt einzuweisen. Eine Verwahrung dränge sich gemäss den Gutachten nicht auf, da die Frau nicht gemeingefährlich sei.
Verteidiger Jens Onnen, der auf den Grundsatz «ohne Schuld keine Strafe» verwies, ging über weite Strecken einig mit dem Staatsanwalt. Er stufte die Verzweiflungstat der Frau rein tatbestandsmässig aber nicht als versuchte vorsätzliche Tötung ein, sondern nur als Körperverletzung, da die Frau nie eine Tötungsabsicht gehabt habe. So oder so sei die Angeklagte freizusprechen und in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Wenn der Heilungserfolg dies erlaube, sei später bloss noch eine ambulante Massnahme anzuordnen. Zu prüfen sei schliesslich, ob die Frau Anrecht auf einen Schadenersatz und eine Genugtuung habe.
Unzurechnungsfähig
Das Kantonsgericht folgte in allen Punkten dem Staatsanwalt und sprach die Angeklagte aufgrund ihrer Geisteskrankheit vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung frei. Denn die Frau sei zur Tatzeit unzurechnungsfähig und damit nicht schuldfähig gewesen. Das Gericht ordnete eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik an.
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